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Warum Affirmationen nicht immer funktionieren

Affirmationen helfen nicht

Affirmationen sind weit verbreitet und bestimmt sind dir auch schon einige untergekommen. Der große Zauber, der von ihnen ausgeht, beruht auf der Annahme, man müsste positive Sätze nur oft genug widerholen, dann könnte man sein Unterbewusstsein umprogrammieren. „Ich liebe mich selbst bedingungslos“, „ich nehme mich jeden Tag mehr an“. Eigentlich klingt das gut und logisch und wahrscheinlich funktioniert das auch bei vielen Menschen. Zumindest ein Stück weit.

Aber ich möchte dir erklären, warum ich Affirmationen nicht für der Weisheit letzten Schluss halte und was du stattdessen tun kannst, um nach und nach in ein positiveres Selbstbild hineinzuwachsen.

Falls Affirmationen für dich gut funktionieren und du dich dadurch bestärkt und freier fühlst, verwende sie auf jeden Fall und nutze die Möglichkeiten, die dir die Arbeit damit bietet. Vielleicht hast du ergänzend Lust, meinen Vorschlag auszuprobieren?

Falls du allerdings damit nicht zurechtkommst oder es dich viel Kraft kostet und trotzdem keine große Veränderung eintritt, dann würde ich dir raten, es mit Affirmationen nicht weiter zu versuchen. Indirekt verstärkst du dadurch nämlich vielleicht sogar deine Ablehnung dir selbst gegenüber und baust dir einen neuen Käfig.

Wie können Affirmationen wirken?

Dass Worte oft mehr weh tun und wir länger daran leiden, als an körperlichem Schmerz, ist dir vielleicht auch schon einmal aufgefallen. Da wirft uns jemand unbedacht hin: „Mensch, was stellst du dich immer so dumm an?!“ Und das trifft genau in die Magengrube. Oder ins Herz. Jedenfalls sorgt manchmal ein einzelner, gemeiner Satz dafür, dass wir tief verletzt sind. Und wir nehmen solche Sätze dann in unserem Gepäck mit durchs Leben. In den unpassendsten Momenten springen sie aus den Kulissen und machen uns unsicher, erzählen uns, was wir alles nicht können, und wie fehlerhaft wir sind.
Aber auch eine allgemeine Haltung uns gegenüber speichern wir so ab. Wenn unsere Eltern uns nie etwas zugetraut haben, übernehmen wir die Überzeugung, dass uns nichts zuzutrauen ist und tun uns schwer damit, etwas Herausforderndes überhaupt zu probieren.
Was so entsteht, sind Glaubenssätze. Oder ein Mindset. Es gibt Glaubenssätze, die uns helfen und bestärken – und es gibt Glaubenssätze, die uns am Wachsen und Verwirklichen hindern.

Manchmal ist es nicht ganz leicht, die eigenen hinderlichen Glaubenssätze ausfindig zu machen, aber es gibt einige Möglichkeiten. Das schnelle Aufschreiben kann dir dabei gute Dienste leisten.

Falls du beispielsweise alleine durch Kanada reisen möchtest, dich aber nicht traust, fängst du einfach an, alles aufzuschreiben, was dir an Gründen dagegen einfällt. Das machst du so schnell, dass der Verstand keine Zeit hat, deinen Output zu filtern und dir nur zu präsentieren, was du eh schon wusstest. Wenn du alle Gegenargumente aufgeschrieben hast, die logisch und salonfähig sind, kommst du an den Punkt, an dem dir tieferliegende Überzeugungen entgegenspringen. Wenn du so eine gefunden hast, merkst du es. Du könntest ganz schön überrascht sein.

Generell ist es hilfreich, im Alltag aufmerksam zu sein. Versuche, auf deine Gedanken zu achten und registriere, was dir in bestimmten Situationen durch den Kopf schießt. Vielleicht tauchen da nicht nur ganz klare Sätze auf, sondern du hörst auch den Tonfall oder die Stimme deiner Mutter, deines Opas … Vielleicht magst du dir kurz Notizen machen oder solche Gedanken als Ausgangspunkt dafür nehmen, noch einmal genauer in dich zu lauschen.

Auch wenn du nicht mit Affirmationen arbeitest, kann diese Übung hilfreich sein, um deine eigenen Beweggründe besser zu verstehen. Sich selbst zu verstehen ist sowieso eine ziemlich gute Idee.

Tja, und genau gegen diese Überzeugungen, die sich oft vor langer, langer Zeit festgesetzt haben, sollen Affirmationen helfen. Wenn man sich also nur oft genug einen „Gegen -Satz“ vorspricht, wird der alte damit irgendwann überschrieben.

Mit dem Verstand gegen Gefühle

Worte können verletzen. Worte können heilen. Aber das tun sie nicht, weil sie Worte sind, sondern weil wir das, was gesagt wird, intensiv fühlen. Wir fühlen die Verachtung, die uns entgegenschlägt, spüren Geringschätzung. Oder wir fühlen, dass wir aufrichtig geliebt und respektiert werden. Die Worte an sich sind weit weniger dramatisch. Du nimmst ja auch nicht alles persönlich, was du irgendwo im Internet liest. Es sei denn, du fühlst dich dadurch tatsächlich angegriffen oder aufgewühlt – aus welchem Grund auch immer. Aber auch hier ist es erst dein Gefühl, das aus banalen Buchstabenreihen etwas Unangenehmes macht.
Und jetzt kommt die Affirmation ins Spiel. Du versuchst, mit einem netten, kurzen Satz eine gespeicherte Überzeugung zu überschreiben. Doch die gespeicherte Überzeugung ist weit mehr als nur ein Satz. Sie besteht aus einem oft weit vernetzten Geflecht an Erfahrungen und Ängsten, die sich auch im Körper noch nach Jahren als Verspannungen bemerkbar machen können. Da ist die Affirmation eher der Wassereimer gegen den Waldbrand. Du kannst gar nicht genug Wasser draufkippen, um etwas zu bewirken. Das Problem ist nämlich: Du kommst einem Gefühl nicht mit dem Verstand bei. Keine Chance!

Warum du nicht weiter kommst

Stell dir vor, jemand erzählt dir, er könne nicht singen. Du sagst ihm im Brustton der Überzeugung: „Du kannst singen.“ Was sagt er darauf? „Nö, kann ich nicht!“. Das Spiel kannst du natürlich hundert mal spielen – über Tage, Wochen, Monate – aber es ist sehr viel wahrscheinlicher, dass dieser Jemand nie wieder mit dir reden will, als dass du ihn überzeugst, dass er doch singen kann. Hast du das mal mit einem Kind ausprobiert? Ich glaube, dieses Spiel hat seit Erfindung der Sprache noch nie jemand gegen ein Kind gewonnen 😉
So ein Nein-Doch-Spiel spielst du im Zweifelsfall mit dir selbst. Das ist nicht unbedingt eine Form von Respekt dir selbst gegenüber, denn du sagst dir damit selbst, dass du keine Ahnung hast.
Passieren kann das vor allem, wenn der Satz, den du dir vorsagst, sehr weit von dem entfernt ist, was du tatsächlich über dich denkst. Wenn du nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung brauchst und grundsätzlich kein größeres Problem mit einem Thema hast, kann eine Affirmation durchaus schnell helfen.

Der andere Punkt ist, dass du mit deiner Affirmation eine Erwartungshaltung dir selbst gegenüber erzeugst, die du wahrscheinlich nicht von heute auf morgen erfüllen kannst. Wenn du nämlich sehr diszipliniert bist und dir regelmäßig deine Sätze vorsprichst oder denkst, fällt dir jedes Mal die Lücke wieder auf, die zwischen dem Ist- und dem Sollzustand nun einmal klafft. Du baust unnötig Druck auf und mit manchen Sätzen versuchst du dich vielleicht auch in einen neuen Käfig zu sperren. Aus der Überzeugung „ich habe nie Erfolg“ soll „ich bin erfolgreich“ werden. Und, schwupps, ist „erfolgreich sein“ furchtbar wichtig, ständig in deinem Kopf. Und du solltest natürlich auch tatsächlich mal fix erfolgreich werden, sonst bist du bei dir selber durchgefallen. Aber so schnell geht es in der Regel nicht, egal, wie viele Beine du dir ausreißt. Das Gefühl, es vielleicht doch nicht zu schaffen, wird zum Tabu für dich. Scheitern sowieso.

Was kannst du stattdessen tun?

Wichtiger finde ich, das Fehlen der Selbstliebe tatsächlich anzuerkennen und dir selbst respektvoll dort zu begegnen, wo du gerade bist. Vielleicht kannst du es statt mit „ich liebe mich bedingungslos selbst“ mit etwas weniger Krassem versuchen. Mit etwas, das du wirklich glauben kannst, aber manchmal einfach vergisst, wenn du gestresst oder unglücklich bist. „Es ist okay, wenn ich mal was falsch mache“, zum Beispiel. Oder auch „es ist okay, wenn ich jetzt frustriert bin“. Damit erkennst du dich selbst an und verlangst nichts Unmögliches von dir. Wenn es dir gerade schlecht geht, ist das eben so. Kein Grund, sofort Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen und schnellstmöglich alle Lampen anzuknipsen, damit es sofort wieder heller aussieht, als es tatsächlich in dir ist.

Solche Sätze musst du auch nicht mehrmals wiederholen oder über viele Tage hinweg anwenden. Du bauchst sie nicht auswendig lernen, nirgends aufschreiben. Du brauchst dich nicht disziplinieren und an dir herum verbessern. Viel wichtiger finde ich, zu lernen, wie man behutsam und freundlich mit sich selbst spricht. Du darfst dir Verständnis entgegenbringen und auch in Momenten bei dir bleiben, in denen du das Gefühl hast, du wärst zu gar nichts nütze und müsstest dich den Rest deines Lebens in einer dunklen Ecke verstecken. Gerade dann brauchst du dich und deine Aufmerksamkeit. Gib dir das, was du dir von anderen vielleicht als Kind gewünscht hättest. Oder was du dir jetzt von deinem Partner oder einem Freund wünschen würdest. Dass man dir zuhört, dich ernst nimmt und dich einfach eine Weile hält, bis du dich wieder sortiert hast und von alleine wieder lächeln kannst.

Du sollst dir selber geben, was andere dir vielleicht nie gegeben haben oder bei Weitem nicht so großzügig, wie du es gebraucht hättest? Wie soll das gehen, wenn man es nicht erfahren hat? Wie bekommst du das hin?

Keine Sorge, das ist gar nicht so schwer.

Der erste Schritt ist, deine eigenen Gefühle einfach wahrzunehmen, ohne sie in Gut und Böse einzuteilen. Lehne keines ab, fühle einfach. Auch die Gefühle, die du nicht so gerne hast, ziehen vorüber. Aber so lange sie da sind, versuche zu erspüren, wo in deinem Körper sie am deutlichsten sind. Lausche auf deine Gedanken. Welche schießen dir durch den Kopf? Magst du vielleicht etwas dazu aufschreiben? Eine schnelle Skizze aufs Papier werfen oder deinen Körper bewegen? Mach das einfach.

Manche Situationen wühlen dich bestimmt stärker auf und du hast dann auch nicht immer gleich Gelegenheit, dich zurückzuziehen und einige Minuten für dich zu sein. Dann kannst du das Hinfühlen auch später am Tag nachholen. Nimm dir ein paar Minuten Zeit für dich selbst und das, was dich bewegt. Versuche, dich genau an die Situation zu erinnern, an dein Gefühl dabei und nimm alles wahr.

Du musst dich dafür nicht tagelang in einer Waldhütte einsperren und die Fensterläden geschlossen lassen. Versuche einfach, im Alltag ein bisschen aufmerksamer dir selbst und deinen Empfindungen gegenüber zu sein. Oft wissen wir ja sehr viel besser, wie es anderen geht, als uns selbst. Das darfst du allmählich wandeln.

Aus dem ersten Schritt ergibt sich fast automatisch der Zweite: Sprich freundlich mit dir. Vielleicht hilft es dir, deine Hand kurz auf dein Herz zu legen, einige Atemzüge in deine Brust zu holen, um ein Gefühl von Weite und Wärme zu erzeugen. Stell dir vor, wie dein Herz sanft zu leuchten beginnt. Aus diesem Gefühl heraus wird es dir leicht fallen, liebevoll mit dir zu sprechen. Zuerst musst du dich dafür vielleicht auch ein wenig konzentrieren und du wirst dich auch immer wieder dabei ertappen, wie gemeine Sätze durch deinen Kopf huschen, aber nach und nach kannst du so zu einer grundsätzlich bestärkenden Kommunikation mit dir selbst gelangen. Der eine oder andere Ausrutscher ist dann auch nicht mehr schlimm.

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