Im vorherigen Artikel habe ich bereits ausführlich darüber geschrieben, warum es so wichtig ist, zu vergeben. Letztlich geht es dabei darum, Wunden und Schmerz aus der Vergangenheit so zu lösen, dass sie uns nicht mehr emotional triggern.
In diesem Artikel zeige ich dir, wie du ganz konkret mit deinen alten Verletzungen umgehen kannst, um die emotionale Ladung zu befreien. Im folgenden Artikel gehe ich genauer auf das Thema Vergebung selbst ein. Das Loslassen von alten Emotionen kann dazu die Vorstufe sein. Wenn du möchtest, kannst du aber auch nur mit dem Loslassen deiner Emotionen arbeiten.
Ziel ist in beiden Fällen, dich aus dem Gefängnis zu befreien, das alte Wunden und Verletzungen in dir errichtet haben. So dass du aus dem Kreislauf aus Erinnerung, Gefühlen, Gedanken und neuen, ähnlichen Erlebnissen aussteigen kannst.
Vielleicht musst du ein bisschen experimentieren, was für dich selbst am besten funktioniert. Du wirst wissen, was für dich im jeweiligen Augenblick gut ist und es direkt spüren, wenn es klappt.
Wann solltest du dir alte Emotionen und deine Erinnerungen genauer anschauen?
Wir alle haben eine Menge Dinge erlebt und einiges davon war mit Sicherheit auch verletzend. Wir alle gehen durch Frust und Enttäuschung, erleben Verrat, Trauer, Wut, fühlen uns hilflos, machtlos, missverstanden, ignoriert … All diese Gefühle und Erlebnisse sind irgendwo Teil unseres Weges als Menschen.
Unsere Erlebnisse formen uns, formen unsere Annahme davon, wie wir selbst sind und wie die Welt ist – und damit auch unsere Handlungen in der Gegenwart. Je nachdem, ob wir mehr Gutes oder Schlechtes erleben, werden wir mehr oder weniger optimistisch durch unser Leben gehen. Was natürlich Auswirkungen auf das hat, was wir für uns verwirklichen können.
Besonders wichtig ist es daher, vergangene Ereignisse noch einmal anzuschauen und die zugehörigen Emotionen zu lösen, wenn dir bewusst wird, dass sie dich belasten. Also wenn Erinnerungen hochkommen, deine Gedanken um gewisse Situationen kreisen, du innere Dialoge ausfichst oder du merkst, du bist bestimmten Personen gegenüber sehr bitter oder angriffslustig.
Das sind Hinweise darauf, dass da noch ein alter Schmerz sitzt, der sich Aufmerksamkeit holt.
Auch wenn du merkst, dass du immer wieder Angst bekommst oder dich selbst sabotierst, wenn du etwas verändern oder deine Komfortzone erweitern möchtest, kann es gut sein, herauszufinden, ob hier alte Erlebnisse eine Rolle spielen.
Und natürlich wenn dir auffällt, dass du immer wieder in ähnliche Situationen kommst. Wenn du zum Beispiel nie Glück in der Liebe hast, du immer irgendwie betrogen wirst, dich nie jemand wertschätzend behandelt etc. Das sind Zeichen für ein sich wiederholendes Muster. Und das beruht nicht selten auf vergangenen Ereignissen, die tiefe Wunden hinterlassen haben.
Unbewusst erinnerte Gefühle
Es kann auch sein, dass du bemerkst, dass du einfach insgesamt z. B. traurig, bitter, wütend oder verzweifelt bist oder du dich schuldig fühlst. Womöglich liegt dieses Grundgefühl immer irgendwo unter dem Alltagslärm und kommt zum Vorschein, wenn du sonst nichts erlebst.
An vieles aus der frühesten Kindheit erinnern wir uns gar nicht konkret. Doch Gefühle prägen sich in dieser Zeit umso besser ein.
Die gute Nachricht ist, dass du keine konkrete Erinnerung an ein Ereignis brauchst, um mit deinen Emotionen zu arbeiten. Unter Umständen tauchen dabei dann erinnerte Bilder auf, womöglich sind sie aber auch nur Assoziationen, die du unbewusst dazu findest. Das macht letztlich keinen Unterschied. Wichtig ist allein, dass die Emotion gefühlt und gelöst werden kann.
Noch ein paar erklärende Worte zu Gefühlen/Emotionen
Grundsätzlich können uns Emotionen nichts anhaben. Sie fühlen sich vielleicht an, als würden sie uns umbringen, die Luft abschnüren oder das Herz aus der Brust reißen – aber praktisch passieren kann das nicht. Daher müssen wir keine Angst vor dem Fühlen an sich haben. Weil wir das oft aber nicht lernen, sondern eher beigebracht bekommen, gerade die heftigeren Gefühle unter Verschluss zu halten, haben wir einfach Angst, sie zuzulassen.
Gefühle wie Wut, Schmerz, Scham oder Verzweiflung sind deutliche Signale, dass etwas nicht stimmt. Sie sagen uns, dass wir diese Situation so nicht wollen und nicht aushalten können. Letztlich ist das Gefühl nur der Bote, nicht der Grund dafür, dass es uns schlecht geht. Aber manchmal passiert es, dass wir das Gefühl selbst mehr fürchten, als die Situation, die es ausgelöst hat.
Was Gefühle aber können: Sie verändern unsere Körper-Chemie. Durch spontane oder erinnerte Gefühle wird im Körper eine ganze Kaskade von Neurotransmittern und Hormonen ausgelöst und durch den Körper geschickt. So kommt es zu Schwitzen, Herzrasen – oder purem Glücksempfinden. Gefühle, Gedanken und Körperreaktionen sind eng miteinander verknüpft und können sich gegenseitig auslösen und verstärken. Dauerhaft düstere Gedanken oder Wut mit sich herumzutragen wirkt sich dadurch negativ auf die Gesundheit aus. Ebenso wie eine entspannte Grundeinstellung es dem Körper leichter macht, gesund zu bleiben oder zu heilen.
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Erinnerte Emotionen wahrnehmen
Falls du bereits gemerkt hast, dass du dich irgendwie im Kreis drehst, sich immer wieder ähnliche Ereignisse und Gefühle wiederholen oder du oft in schmerzhaften Erinnerungen festhängst, bist du deiner Befreiung schon ein großes Stück näher gekommen.
Der erste Schritt heraus aus diesem unbewussten Ablauf ist nämlich tatsächlich Bewusstsein. Je mehr uns auffällt, was in uns selbst abläuft, welche Gedankengänge sich automatisch aktivieren und welche Gefühle immer wieder zu Besuch sind, desto mehr können wir uns auch von ihnen lösen. Wir springen dann nicht mehr voll automatisch auf den Gedanken-und-Gefühls-Zug auf, verstricken uns in unser altes Drama und erleben es immer wieder neu.
Beobachte doch einfach in den nächsten Tagen, wie du dich generell fühlst. Nimm dir dazu immer wieder einen Augenblick und fühle mal in deinen Körper hinein: Was spürst du? Freude, Trauer, Bitterkeit, oder bist du entspannt?
Interessant sind auch deine ersten Gedanken und Empfindungen, wenn du morgens aufwachst. Was geht in dir vor, direkt in dem Moment, in dem du aus dem unbewussten Schlaf zurück in dein Bewusstsein kommst?
Welche Gedanken tauchen in deinem Kopf auf, wenn du deinen Alltag lebst? Was denkst du immer wieder? Sind da Schuldzuweisungen, Wortgefechte? Tauchen vergangene Situationen immer wieder auf, die du vielleicht gedanklich neu inszenierst? Sammelst du unbewusst Argumente, jemandem böse zu sein?
Mache dir Notizen dazu!
Wichtiger Hinweis
Falls du dich akut in einer Krisensituation befindest und dich emotional nicht stabil fühlst, gehe bitte sehr achtsam mit dir um. Hole dir Unterstützung von vertrauten Personen oder wende dich an deine Ärztin oder deinen Arzt oder eine therapeutisch ausgebildete Person, wenn du das Gefühl hast, du kommst damit alleine nicht zurecht!
Erinnerte Emotionen lösen
Nimm dir dafür ausreichend Zeit, die du ungestört verbringen kannst. Reserviere dir beim ersten Versuch am besten eine Stunde. Später hast du schon Erfahrung und kannst dich danach richten.
Ziehe dich zurück, lege dir Schreibzeug (optional) und Taschentücher bereit, denn oft fließen hier lange zurückgehaltene Tränen. Setze oder lege dich bequem hin, so wie es dir angenehm ist. Du darfst deine Körperhaltung während deiner Arbeit mit deinen Emotionen gerne jederzeit verändern!
So gehst du nun vor:
- Suche dir nun eine erinnerte Situation oder ein Gefühl aus, mit dem du arbeiten möchtest. Nimm am besten das, was dich momentan am meisten beschäftigt, denn dazu hast du am leichtesten Zugang.
- Lasse zu, dass das Gefühl in dir aufsteigt. Wenn es nötig ist, verstärke das Gefühl noch ein wenig, so dass du es deutlicher wahrnehmen kannst. Nutze dazu deine erinnerten Bilder. Lass das Gefühl sich dir ganz zeigen, dich ausfüllen, sich in dir aufbäumen, lass deine Tränen fließen, schreie deine Wut heraus oder malträtiere ein Kissen …
- Atme währenddessen möglichst ruhig weiter. Das klingt ein bisschen paradox, aber versuche, dich selbst zu beobachten, während du so intensiv fühlst. Versuche herauszufinden, wie genau sich dein Gefühl anfühlt und wo es in deinem Körper ist. Wenn du magst, lege deine Hand auf die Körperstelle.
Lerne dein Gefühl kennen und sei ganz aufmerksam. Als würdest du ein fremdartiges Wesen betrachten, das offensichtlich leidet und das du verstehen möchtest, um ihm zu helfen. Du brauchst dich nicht fürchten. - Atme weiter und fühle einfach, ob und wie sich etwas verändert. Womöglich wird das erste Gefühl bald schwächer – und ein anderes wallt auf. Lasse auch das zu und beobachte weiter.
- Atme und versuche, deinen Gefühlen Verständnis und Liebe entgegenzubringen. Versuche nicht, sie mit Gewalt zu verscheuchen, sondern gib deinen Empfindungen Zeit, sich zu zeigen und dir alles mitzuteilen, was sie dir zu sagen haben.
- Frage dein Gefühl, was es von dir braucht.
Vielleicht will es Anerkennung, Liebe, ernst genommen werden? - Schenke ihm das von ganzem Herzen. Sage deinem Gefühl, was es jetzt hören darf, um Trost zu finden.
- Meist löst sich das Gefühl langsam auf und du spürst, wie der Sturm in dir verebbt. Frieden breitet sich in dir aus.
- Wenn du magst, kannst du deine Verletzung und den Schmerz auch einer höheren Macht überantworten. Gott, dem Universum, deinem Schutzengel. Bitte darum, dass dein Schmerz für dich gewandelt wird und Raum für Liebe macht, wenn die Last zu groß für dich selbst ist.
- Atme mehrmals bewusst tief ein und aus – die Betonung liegt dabei auf der Ausatmung. Stelle dir dabei gerne vor, wie die Last dieser Erinnerung von dir abgleitet, in den Boden fließt oder sich auflöst. Wähle, was sich für dich natürlich anfühlt.
- Atme nun liebevoll in dein Herz. Wenn du magst, lege beide Hände darauf und stelle dir vor, wie du Liebe, Freude oder Licht mit jedem Atmenzug in dein Herz hinein holst. So lange, bis dein Brustraum sich wohlig warm und weit anfühlt.
- Mache dir gerne Notizen zu dem, was du erlebt hast!
Und wie geht es jetzt weiter?
Im Idealfall solltest du dich jetzt erleichtert fühlen. Vielleicht bist du ein wenig erschöpft und brauchst noch etwas, bis du wieder kopfüber in den Alltag springen magst.
Vielleicht ist dir in diesem Durchgang schon aufgefallen, was für dich eher funktioniert oder was dir nicht hilft. Daran kannst du dich beim nächsten Mal orientieren. Aber bleibe hier gerne flexibel und folge deiner Intuition.
Oft ist die emotionale Ladung nach einem Durchgang weit gehend gelöst und macht dir keine Probleme mehr. Es kann aber auch sein, dass sich später noch weitere Aspekte zeigen, die auch gefühlt und gelöst werden möchten.
Durch diese intensive Arbeit mit deinen Emotionen wird die Erinnerung an sich nicht gelöscht, nur die Heftigkeit der Gefühle, die dazu aufwallen, wird verringert. Die Wahrscheinlichkeit, dass deine Gedanken weiterhin darum kreisen und wiederkehrende Erinnerungen dich traurig, wütend oder hilflos fühlen lassen, wird deutlich geringer. So wirst du frei von dieser erinnerten Emotion und kannst dein Leben anders erleben und gestalten.
Achte grundsätzlich auf die oben genannten Anzeichen für erinnerte Emotionen, wie Gedankenkreisen, deine Grundstimmung oder auch sich wiederholende Muster. Hier hilft dir Achtsamkeit, dich selbst besser wahrzunehmen und zu bemerken, was du denkst und fühlst.
Ist dein alter Schmerz mit einer bestimmten Person verbunden, der du vergeben möchtest? Dann lies hier weiter!
(c) Beitragsfoto: alphaspirit // Getty Images Pro, lizensiert durch Canva
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