Heute möchte ich dir ein Stück meines eigenen Weges bis hierher zeigen. Ich erzähle dir die Geschichte, wie ich aus der absoluten Orientierungslosigkeit in meine eigene Kraft und ins Vertrauen in mich selbst gefunden habe. Lasse dich inspirieren und nimm für dich alles mit, was du für dich gerade brauchen kannst.
So fühlte sich mein Leben an
Wenn ich mit einem Bild beschreiben sollte, wie sich das Leben für mich die meiste Zeit angefühlt hat, dann wäre es dieses:
Es ist düster. Ich drücke mich mit weit aufgerissenen Augen in die klamme Ecke und bin froh, dass ich so winzig klein bin, so grau und still, dass mich gar keiner sieht. Die Bodendielen knarzen unter schweren Schritten, ich merke, Groll und Gefahr liegt in der Luft und immer wieder gerät der Boden mit samt den Wänden und mir selbst ins Wanken.
Ich versuche, nicht aus meiner schützenden Ecke zu rutschen, ziehe den Kopf lieber noch ein Stücken weiter ein, kralle mich fest und hoffe, dass der Kelch an mir vorübergehen möge.
Der Kelch, das sind Konflikte, Streit, Beschämung und Bloßstellung. Das sind die Wünsche und Anforderungen, die andere stellen und denen ich nur entkomme, wenn mich keiner sieht. Würde mich jemand bemerken, würde der Rest von mir verloren gehen, weil ich nicht in der Lage wäre, mich zu schützen. Ich hätte nicht einmal das Recht dazu, es ernsthaft zu versuchen. Ich dürfte gar nicht hier sein.
Ich war die Ratte auf dem Schiff anderer Leute
Das klingt ziemlich drastisch, doch dieses Bild fasst genau das zusammen, was ich für die Realität hielt. Niemand hat das jemals so zu mir gesagt. Und ich kann mich nicht erinnern, jemals wirklich in der modrigen Ecke eines Schiffsrumpfes gekauert zu haben – und doch stimmt es. Mehr, als ich jetzt eigentlich gerne zugeben möchte.
Für mich selbst schien die Welt der Menschen immer ein feindlicher Ort zu sein. Draußen in der Natur, in der Gesellschaft von Tieren, fühlte ich mich sicher. Auf dem richtigen Dampfer, um im Bild zu bleiben. Doch sobald Menschen in der Nähe waren, wünschte ich mir eine Tarnkappe und drückte mich in eine Ecke.
Dass ich mit vielen innerfamiliären Konflikten aufgewachsen bin, hast du dir bestimmt längst gedacht. Eine sichere Bindung gab es nicht. Und ich lernte zwangsläufig sehr früh, auf mich selbst aufzupassen. Meine einzige Möglichkeit dazu? Mich kleinmachen und unauffällig verhalten.
Kein Wunder, dass ich diese Strategie wählte und auch logisch, dass ich glaubte: Genauso funktioniert die Welt. Mein Platz ist in der dunklen Ecke, wo vielleicht keiner bemerkt, dass ich unrechtmäßig hier bin.
Doch ich wollte ans Licht
Dennoch sehnte ich mich nach Anerkennung und Liebe. Danach, aus meinem Eckenbann befreit zu werden. Und auch wenn ich nicht unbedingt an einen erlösenden Prinzen glaubte, glaubte ich doch, dass die Liebe die einzige Antwort wäre, dass die Liebe mich ans Licht holen würde und ich aufhören könnte, in Gefahr zu sein.
Denn theoretisch war ich mir all die Jahre sicher: Jeder Mensch hat seinen Platz und seine Berechtigung, jeder Mensch bringt sein Wesen und seine Gaben mit sich und verdient es, mit Respekt behandelt zu werden. Ich wusste es mit jeder Faser meines Seins und ich wollte beweisen, dass es auch mir zustand anerkannt zu werden.
Aber was passierte? Ich traute mich, auf mich aufmerksam zu machen, ich begann für meinen großen Traum, Autorin zu werden, hart zu arbeiten. Ich setzte alles daran, gesehen und anerkannt zu werden, verausgabte mich und wurde notfalls auch ungemütlich, um mir meinen Weg nicht verbauen zu lassen. Dadurch gewann ich ein wenig mehr Raum in meiner dunklen Ecke auf dem schwankenden Schiff anderer Leute. Ich steckte mir eigene Bereiche ab, die mir allein gehörten und verteidigte sie auch. Indem ich mir Zeit für mich alleine sicherte, indem ich meinen eigenen Anliegen höhere Priorität einräumte. Dazu stellte ich quasi meine eigene Baustellenabsperrung immer ein Stücken weiter aus der Ecke heraus, damit sie größer wurde und ich mich darin besser bewegen konnte. Ich stand nicht mehr in die Ecke gedrängt. Das war so viel besser.
Das Licht von außen änderte nichts
Doch immer, wenn jemand guckte, wenn das Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit auf mich fiel, zuckte ich zurück. Ich machte mich klein, drückte mich in die Ecke und hielt die Augen aufgerissen. Hielt still, bis es vorüber war. Und war dann traurig, dass immer nur ein Hauch von Licht in meine Ecke fiel, obwohl ich mich so bemühte, etwas großartiges zu schaffen. Ganz da hinten, wo mich nur selten jemand sah.
Dass das eigene Weltbild krasse Schlagseite hat, fällt einem selbst meistens gar nicht auf. Mir fiel es auch nicht auf. Ich lebte darin, es war meine Hülle. Alles, was ich tat, tat ich innerhalb dieser Realität und alles, was passierte, folgte den Regeln, die in dieser Wirklichkeit galten. Es gab gar keinen Grund für mich, daran zu zweifeln, dass ich irgendwie verkehrt und nicht daseinsberechtigt war. Das waren die Grundbedingungen meiner Existenz.
Ich konnte darin nur kämpfen, mich anstrengen – und die Regeln wollten es, dass ich trotzdem nichts erreichte und mein Dasein keinerlei Unterschied machte in der Welt. Und dieses Kämpfen und die Aussichtslosigkeit machten mich unendlich müde.
Letztlich verdanke ich aber genau dieser Müdigkeit, dass ich heute nicht mehr in meiner kleinen, dunklen Ecke sitze, um Aufmerksamkeit ringe und zugleich angst habe, dass mich jemand sieht.
Ich hörte auf zu kämpfen
Meine Müdigkeit hat mich loslassen lassen, was ich so krampfhaft erreichen wollte. Und annehmen lassen, dass ich jetzt und hier in meiner Ecke sitze und darunter leide. Es hat eine Weile gedauert, so weit herunter zu kommen, aus dem Ringen zwischen Vergangenheit und Zukunft auszusteigen und einfach nur zu sein. Achtsamkeit war hier mein Schlüssel.
Doch als ich aufhörte, mit mir und der Welt zu hadern, mich selbst allmählich genauer kennen lernte, mir selbst versprach, auf mich aufzupassen und mich immer zu lieben, unabhängig von allen anderen und unabhängig von Fehlern und Makeln, bekam mein altes Weltbild Risse. Das war die Liebe, von der ich wusste, dass sie die Erlösung wäre.
Ich konnte nach und nach begreifen, dass mein Weltbild zwar echt genug war, um mein Gefängnis zu sein, aber letztlich nur aus meiner Erfahrung und meinen Überzeugungen geschmiedet war. Das ist zwar einerseits ein Material, das weit härter ist als jeder Stahl, so lange es nicht in Zweifel gezogen wird – und doch zerfällt es, wenn der Glaube daran schwindet.
Nach und nach durfte ich erkennen, dass ich eigentlich ganz anders war, als ich dachte. Ich war gar nicht klein. Auch nicht grau. Und nicht schüchtern. Ich war gar keine Schiffsratte auf dem Schiff anderer Leute, die störte, die Sachen kaputt machte und die man am besten loswerden sollte.
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Wer ich wirklich war und bin
Das Schiff, auf dem ich so lange durch stürmische See geschaukelt war, bis ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war – das war mein eigenes Schiff. Es war das Schiff meines eigenen Lebens und ich gehörte ganz sicher nicht in die feuchte, dunkle Ecke da unten im Rumpf. Ich gehörte ans Steuer.
An Deck zu klettern kostete mich Mut. Meine eigene Macht und Stärke anzuerkennen fühlte sich gruselig an, ein bisschen verboten, ein bisschen genial. Zum ersten Mal sah ich klar, wo es mich hingetrieben hatte, in welchem Zustand mein Schiff und die Segel waren und woher der Wind wehte.
Ich war lange in der Opferrolle festgesteckt, hatte es anderen überlassen, zu entscheiden, was möglich war und was nicht. Ich habe lange versucht, mich willkürlichen Regeln anzupassen, meine Arbeits-, Denk- und Lebensweise so hinzubiegen, dass ich halbwegs unauffällig existieren konnte und niemand mir den Kammerjäger auf dem Leib hetzte, weil ich anders war.
Ich durfte sehen, wie sehr ich mich selbst verleugnet und verbogen hatte, welche Kompromisse ich eingegangen war, obwohl sie unnötig und nicht gut für mich waren.
Und ich durfte herausfinden, dass ich sehr viel mehr konnte, ganz andere Charakterzüge besaß und ich ganz andere Dinge mochte und gut fand, als ich immer dachte.
Zum ersten Mal am Steuer
Es ging also darum, mein Leben in Ordnung zu bringen. Es so einzurichten und so zu reparieren, dass es für mich richtig war. Es ging darum, die Geister der Vergangenheit von Bord zu scheuchen und mir selbst meine ganze Kraft zuzugestehen. Ich dufte lernen, um Hilfe zu bitten und mich an andere anzulehnen. Ich durfte lernen, mich so zu zeigen, wie ich wirklich bin, meine Stimme zu erheben und meine eigene Wahrheit auszusprechen.
Dabei schoss ich manchmal auch übers Ziel hinaus, machte Fehler. Aber so ist das eben, wenn man lernt.
Das Steuerrad meines eigenen Lebens zu umfassen, das war der Moment, an dem ich ganz und gar und rückhaltlos Ja zu mir selbst sagen konnte. Was immer passieren würde, wohin immer ich mein Schiff lenken würde, wie auch immer das Wetter dort wäre – ich bin mein eigener Kapitän und ich gehe erst von Bord, wenn es seine allerletzte Fahrt gemacht hat.
Wohin ich es lenken sollte? Welchen Wind ich nutzen und wie ich die Segel setzen konnte? Das alles wusste ich nicht. Es nicht zu wissen, machte mir Angst. Doch indem ich meiner Neugierde immer mehr folgte, meinen eigenen Werten Wert beimaß und genauer darauf hörte, was mein Herz mir sagte, erkannte ich meinen Kurs klarer. Ich ließ mir von meiner Wut zeigen, was mir wirklich wichtig ist, von meiner Begeisterung, was mir wirklich Spaß macht und von meinem Herzen, was ich wirklich liebe.
Und wenn die Richtung stimmt …
Und plötzlich hatte ich Rückenwind. Das Hadern, das Stochern im Nebel, das Herumirren hatte ein Ende. Ich wusste: Ich bin hier, um Frauen aus ihrer Ecke zu holen, ihnen beizustehen auf ihrem Weg, die Kapitänin ihres eigenen Lebensschiffes zu werden und ganz und gar in ihre Kraft zu kommen. Und ich will das und nichts anderes, weil ich sehe, wie sehr wir Frauen noch immer in alten Mustern gefangen sind, wie sehr wir mit unseren Körpern und unserer Weiblichkeit hadern, wie sehr wir versuchen, uns in eine Welt einzupassen, die unsere wahre Natur nicht respektiert. Ich habe mein Steuerruder in die Hand genommen, weil ich in eine Welt segeln will, in der wir von ganzen Herzen sein können, was wir sind.
Tief, wild, weise, stark, unendlich liebevoll und mächtige Schöpferinnen zugleich. Und noch so unfassbar viel mehr!
Wie meine Reise auf diesem Kurs verlaufen wird? Welche Hindernisse mir begegnen und wie ich mit ihnen umgehen werde? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob es mir überhaupt gelingt, weit zu kommen. Aber ich weiß, dass die Richtung stimmt.
Denn ich spüre die Kraft in meinem Rücken, die meine Segel beständig füllt. Ich spüre, wie meine Hände das Ruder umfassen und wie klar mir meine Richtung ist. Und das soll mir genügen, mir selbst und meinem Weg zu vertrauen. Das ist weit mehr, als ich mir als Wink mit dem Zaunpfahl hätte wünschen können.
Und es ist so viel besser als in der muffigen Ecke unten im Rumpf.
Volle Kraft voraus – weil ich weiß, woher ich komme
Doch diese Ecke, die habe ich keineswegs vergessen. Dort brennt jetzt ein immer sanftes Licht und ich besuche sie manchmal zärtlich. Diese Ecke hat mich durch meine Kindheit gerettet, sie war meine Zuflucht, als es um mich zappenduster und gefährlich war. Ich bin unendlich dankbar, dass ich diese Zuflucht gefunden habe, auch wenn sie nicht schön war. Sie hat mich nicht ganz zerbrechen lassen.
Sie erinnert mich daran, warum ich meinen Kurs eingeschlagen habe und sie erinnert mich daran, dass auch andere Menschen oft in dunkleren Ecken sitzen, als man ihnen ansieht. Sie lehrt mich Respekt vor dem Schmerz und der Erfahrung anderer und meiner selbst.
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